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Hieronymus Bosch

 

 

Der holländische Maler wurde um 1450 in dem Städtchen Hertogenbosch, das fast schon an der belgischen Grenze liegt, geboren. Bosch war bereits zu seinen Lebzeiten bekannt und er führte eine Werkstatt, die Malerarbeiten für unterschiedliche Auftraggeber ausführte (Könige, Fürsten und Kirchenväter). Boschs Werk ist eines der wenigen der Kunstgeschichte, das die Welt vor dem Erscheinen des Menschen und nach seinem Ableben darstellt. Dies wirft interessante philosophischen Fragen auf, die mich dazu bewogen haben, Figuren und Objekte aus Boschs Werk in gestickte  Bilder zu übersetzen. 

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Gleich zu Beginn möchte ich über ein Bild sprechen, das nicht vielen bekannt sein dürfte. Es handelt sich um die Aussenseiten des berühmten Gemäldes „Der Garten der Lüste“ (hier gehe zu "Panels" und dann "Outer Panels").

Die Aussenseiten, die in Grautönen gemalt sind, zeigen die Welt am dritten Tag ihrer Entstehung. Der Himmel und die Erde sind bereits da, das Licht wurde aus der Dunkelheit geboren, sowie die Gewässer vom Festland getrennt. Schliesslich, am dritten Tag wurde die Vegetation erschaffen, sowie der Tag und die Nacht, die sich von nun an abwechseln. Auf dem erwähnten Bild kann man die Erdkugel, die zur Hälfte abgedunkelt ist, erkennen. Die Landschaft ist übersät mit Pflanzen und Bäumen; diese sind nicht im einzelnen erkennbar, denn der Schöpfungsprozess ist noch nicht zu Ende. Es gibt Objekte im Bild, die sich nur schwerlich beschreiben lassen, etwas zwischen Felsen, Pflanzen und abstrakten Figuren. Von oben scheint durch die dichten Wolken die Sonne, ihre Strahlen verteilen sich auf der linken Seite vom Gemälde und erhellen alles. Es ist kein einfaches Bild, doch mit Abstand eines meiner beliebtesten. Aus philosophischer Sicht ist es nämlich sehr interessant, was da vor sich hingeht. Es scheint, als ob Gott eine Art Ur-Prototypen von Objekten (Bäume, Felsen, Grundmasse für weitere Pflanzen oder sogar Tiere) erschaffen hatte. Diese Darstellung kommt Platons Ideenlehre ziemlich nahe. Demnach gehen alle Gegenstände auf Ideen (und ihre Idealprototypen) zurück, jedes Pferd ist die - oft unperfekte - Umsetzung des Idealpferdes etc. Darüber hinaus sind die Objekte im Werden, was ziemlich der biblischen Schöpfungsgeschichte entgegenläuft, hat doch Gott die Pflanzen und Tiere als vollendete Entitäten erschaffen.

 

Ich habe mir lange überlegt, wie ich dieses Bild sticken sollte, zumal es nicht einfach ist, abstrakte Formen darzustellen, ohne im Faden-Chaos zu versinken. Die einfachen Linien und simplen Stiche (mehrheitlich Laufstich) sollen auch technisch die Idee einer Welt in ihrem Anfangsstadium unterstützen. Ausserdem war der Laufstich der erste Stich überhaupt, bereits in der Steinzeit bekannt. Bei meiner Interpretation von Boschs Gemälde hielt ich mich möglichst an die gemalte Vorlage, und versuchte diese auch farblich aufzunehmen. Selbstverständlich handelt es sich um eine visuell ziemlich vereinfachte Version. Die rechte Seite stellt die Nacht dar, ist also in dunkleren Grautönen gestickt, wogegen die linke Seite heller ist, da sie den Tag darstellt. Interessanterweise hat Bosch die Landschaft in einem Übergangsstadium gemalt: die Pflanzen und Objekte scheinen sich am Tag zu entwickeln, wogegen die Vegetation und die Ur-Formen im Nacht-Teil abstrakter und unvollendeter scheinen.

 

Das Bild als solches ist sehr ruhig, mir kommt es gerade sehr gelegen, diese stille Ur-Szenerie in einer Zeit, wo beinahe alles Corona-bedingt stillsteht, zu sticken. Es ist, als ob wir uns gerade auch ein Bild von unserer sich stets verändernden Welt machten. Vielleicht ist es ja nicht [nur] die Welt, die sich gerade verändert, sondern vor allem unsere Sicht auf sie.

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Das zweite Bild, welches ich auf des Kleid übertragen hatte, stellt die biblische Szene der Verführung (oder sollen wir lieber von Erkenntnis sprechen?) dar. Den Baum der Erkenntnis habe ich ebenfalls mit Laufstichen ausgefüllt, und zwar habe ich zunächst die Äpfel gestickt und anschliessend die Flächen rundum ausgefüllt. Die Form und Grösse dieser Flächen variieren, ich bin eher intuitiv vorgegangen, ohne mich durch ein Muster einschränken zu lassen. Die mal hellen, mal dunkleren Grüntöne ergänzen sich gut mit dem Rot der Früchte. 

Das gemalte Original weist eine Besonderheit auf, wie sie in der Malerei oft anzutreffen ist, nämlich, dass mehrere Bewegungen zugleich gemalt werden. Auf diese Weise entsteht eine Art visuelle Erzählung, wie wir sie aus dem Comic kennen, jedoch in einem einzigen Bild. Der Teufel - hier in einer weiblichen Gestalt - reicht Eva einen Apfel, diese hält ihn in der Hand und zeigt Adam. Die Darstellung mehrer Bilder in einem war nicht ungewöhnlich für die Malerei dieser Zeit und ist sogar fünfhundert Jahre später auch uns verständlich.

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