Bewegte Landschaften
Was liegt hinter der Stickerei? Ein Faden schlängelt sich durch das Gewebe und hinterlässt eine sichtbare Spur. Diese lässt das Auge von links nach rechts und von oben nach unten gleiten und zeigt auf, welche Weg die Hand, die den Faden führte, zurückgelegt hat. Worin unterscheidet sich der Faden von einer „gewöhnlichen“ Linie und in welchem Verhältnis steht die Stickerei zu einem Objekt, das fotografiert wurde? Am Anfang standen Fotografien von Möwen und Schwänen, wie ich sie am Zürichsee und an der Limmat gemacht habe. Die relativ aufwändig in Szene gesetzten Vögel sollen die Natürlichkeit dessen, was wir sehen, hinterfragen. Ich habe mit Spiegelungen, Schatten oder Unschärfe gearbeitet um zu zeigen, dass das Sehen kein natürlicher weil passiver Vorgang ist, sondern davon abhängt, was wir bereits wissen. Dies betrifft auch das Sehen "natürlicher" Landschaften.
Die inhaltliche und visuelle Weiterführung der abgebildeten Ideen findet mittels Stickerei statt. Die ursprüngliche Landschaft wird auf Flugbewegungen reduziert, wobei die Schatten, Konturen oder Ähnlichkeit der Objekte hervorgehoben werden. Die Werke von Platon, Kant oder Arendt haben mich bei meinen Ideen inspiriert. Das Einfügen neuer Figuren hat vor allem eine inhaltliche Funktion; es zielt darauf ab, dem gesamten Bild einen neue Bedeutung zu geben, sowie neue Fragen aufzuwerfen.
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Das vorliegende Projekt wurde von der Stadt Zürich für ein Covid-2021 Arbeitsstipendium ausgewählt.
Das Baumherz
Im Garten
Winterschwimmen
Der Schatten und (s)eine Figur
Meist schenken wir ihnen keine Beachtung; leise und kaum bemerkbar schleichen sie uns hinterher, je nach Sonnenlichteinfall verändern sie ihre Form und ähneln mal mehr, mal weniger ihrem Urbild. Und manchmal, so scheint es mir, erfahren wir durch sie etwas Neues. So oder ähnlich liessen sich Schatten beschreiben.
Manche Schatten, zum Beispiel jene von Vögeln an der Wasseroberfläche, erscheinen ganz lebhaft, beinahe so, als ob da ein zweiter Vogel über dem Wasser gleiten würde. Und ein anderer Schatten verrät über seinen Herrn oder seine Herrin so manches, was wir eigentlich gar nicht sehen sollten. Auch sind alle Schatten gleich; jene der Armen und der Reichen, der Jungen und der Alten usw. Die Abwesenheit der Körper enthüllt zugleich die Flüchtigkeit alles Lebendigen; was heute da ist, kann morgen schon weg sein. Nicht mal ein Schatten wird hier nach uns bleiben. Mit unserem Ableben endet auch ihr Erscheinen. Die von mir besticken Schatten sind - im Gegensatz zu den echten - farbig, wodurch die Figuren etwas lebhafter daherkommen.
Ähnlichkeit(en)
Betrachten wir Schwäne und andere Vögel, denken wir kaum daran, dass diese individuelle Wesen sein könnten. Fällt uns ein Tier nicht durch besondere Merkmale auf, verwechseln wir es nach einer Weile mit einem anderen (vielleicht noch mit Ausnahme von Haustieren). Bei Menschen hingegen empfinden wir es als verwirrend, sobald wir nicht zwei Personen klar voneinander unterscheiden können, auch wenn wir gewisse Ähnlichkeiten stets erwarten. Insbesondere bei langjährigen Freunden, Familienmitgliedern oder Partnern erfreuen wir uns an jeder noch so kleinen Ähnlichkeit. Es ist, als ob durch ähnliche Merkmale eine Zugehörigkeit entsteht, oft genügen sogar nur gleiche Kleider, Frisuren oder Bewegungen. Das von mir gestickte Bild zeigt vier Frauen, wie ich sie auf einem Ausflugsschiff gesehen habe. Obwohl ich sie nicht kenne, nahm ich an, dass sie eine Familie sind (oder zumindest einige von ihnen), dh sie sind auch innerlich verbunden und haben ein Stück ihrer Lebensreise gemeinsam zurückgelegt. Bereits die Art, wie sie sassen und die Hände falteten, lässt darauf schliessen. Ist es ein Zufall, dass die jüngste den Kopf abwendet und zur Seite blickt?
An der Limmat