SommerReise nach Mähren
- jb
- 24. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Sept.
Dieses Jahr führte mich meine kleine Bildungsreise nach Tschechien – genauer gesagt nach Mähren. Dort, unweit der slowakischen und österreichischen Grenze, liegt Strážnice. Eingebettet in sanfte grüne Landschaft, durch die sich ein Kanal schlängelt, wähnt man sich in Holland. Gelegentlich fahren kleine Boote auf dem Wasser, eine wirklich märchenhafte Szenerie.
Blaudruck - eine lebendige Tradition
In Strážnice gibt es eine ganz besondere Werkstatt: Seit über 100 Jahren wird hier die alte Technik des Blaudrucks gepflegt und von Generation zu Generation weitergegeben. 2018 wurde der regionale Blaudruck sogar von der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe ausgezeichnet. Bei meinem Besuch durfte ich nicht nur zusehen, sondern selbst in die Welt des Indigofärben eintauchen. Unter Anleitung eines erfahrenen Mitarbeiters mietete ich mich in die Werkstatt ein um zu lernen, wie man Stoffe nach der lokalen Art bedruckt.
Handwerk mit Geschichte
Gedruckt wird auf weißen Baumwollstoff, der zuvor mit Stärke behandelt wird. Mithilfe alter Druckformen entstehen dann die typischen weissen Muster. Diese Technik erinnert stark an das bis heute in Indien praktizierte Verfahren des Stoffdrucks (bekannt auch als indiennes). Alle Formen wurden in aufwändiger und präzischer Handarbeit von einem Meister in Nord Tschechien angefertigt, je nach Motiv verwendet er Holz oder bei feineren Mustern feine Metallnadeln (siehe Foto). Manche der Formen sind weit über hundert Jahre alt, die Motive reichen von Pflanzen- und Tierdarstellungen bis hin zu abstrakten Wiederholungen und dem berühmten Paisleymuster, das offensichtlich aus Indien übernommen wurde.



Wie kommen die Muster auf den Stoff?
Die Formen werden vorab in eine dünne Schicht aus spezieller Paste getaucht und anschliessend auf den Stoff angepresst. Die Paste lässt man nun gut trockten, damit sie auf dem Stoff kleben bleibt. Mein weicher japanischer Baumwollstoff ist nicht mit Stärke behandelt, was das Bedrucken etwas schwieriger macht, da die Paste verläuft. Beim Eintauchen in das Indigo-Bad bleiben die bedruckten Stellen ungefärbt, später wird die Paste ausgewaschen und das Weiss der Baumwolle tritt hervor. Die ganze Prozedur ist sehr komplex und langwierig, allein für die Herstellung der Paste braucht der Mitarbeiter mehr als zwei Wochen, wie er stolz erklärt. Vom Bedrucken bis zum Färben kann es also durchaus ein paar Tage dauern.
Die Vielfalt der Formen fasziniert mich, ich habe wortwörtlich die Qual der Wahl, selten war ich so unentschlossen. Manche Muster gefallen mir sehr, andere weniger, was wohl normal ist. Da ich jedoch sowohl Holz- als auch Metallformen in diversen Motiven kombinieren möchte, ergibt sich die Auswahl allmählich von selbst, bis etwa ein Dutzend Formen auf dem Tisch liegen.

Effizienz ist das Zauberwort
Das Bedrucken selbst gestaltet sich komplexer als gedacht, zumal ich die Muster auf dem Stoff nicht so regelmässig anordnen möchte. Doch der Mitarbeiter lässt mir nicht viel Zeit zum Spielen, offensichtlich hat er wenig Verständnis für mein Zögern und rät mir, den Stoff rasch und vor allem regelmässig zu bedrucken. Denn in bälde muss er schon eine Exkursion aus dem lokalen Kindergarten betreuen und den kleinen Gästen ihre neugierigen Fragen beantworten. Vergnügt schauen mir die Kinder beim Druck zu, gelegentlich fragen sie etwas und schmunzeln über mein gebrochenes Tschechisch. Ich befolge den Rat des Mitarbeiters und bedrucke zügig meine Stoffe, was ich später jedoch bereue, schliesslich möchte ich nicht, dass meine vier wertvollen Stoffbahnen fabrikmässig regelmässig bedruckt sind. Leider teile ich nicht seine Vorliebe für Symetrie und Wiederholung, was bei ihm allem Anschein nach auf wenig Verständnis stösst. Bisweilen irritiert und genervt rät er mir von neuem, dass ich regelmässig arbeiten soll (wohl damit kein Platz verschwendet wird?) Für das Anordnen der schönen Formen und Kombinieren der Muster bräuchte ich noch mindestens eine Stunde, die ich leider nicht habe. Auch ist jede der Formen anders in der Handhabung: die kleinen lassen sich besser halten und ergeben gleichmässigere Muster als die grösseren, die ich mit beiden Händen auf den Stoff pressen muss.

Nach etwas mehr als zwei Stunden bin ich fertig mit der Arbeit, nur ungern überlasse ich meine geliebten Stoffbahnen ihrem Schicksal und mache mich auf den Weg zurück nach Prag. Im Zug überlege ich noch, was ich ihm hätte sagen sollen, damit die Färbung so kommt, wie ich wünsche… und ob er auch die Stickgarne so färbt, wie ich gerne möchte ... Wohlwissend, dass ich keinen Einfluss mehr auf den Färbeprozess habe, schlafe ich ein und verfalle in einen blauen Traum.
Die gefärbten Stoffe gibt es im Winter als Sticksets im Onlineshop :-)
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