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Eine kleine Wintermeditation

  • Autorenbild: jb
    jb
  • 2. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 3 Tagen

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Muster: Briochevron Wrap (Westknits)

Wolle: by Mehlsen+ Mohairwolle

Grösse unterer Rand: 165 Maschen (3 mm Stricknadel)

Beginn: Sonntag 28. September 2025


Als ob sich im Winter die Farben zurück in die Erde ziehen würden. Nach dem prachtvollen Aufleuchten im Herbst zeigt sich die Winterlandschaft eher karg bekleidet. Dennoch zieht es mich auch im Winter raus. Kaum ein Jahr, an dem ich nicht regelmässig spazieren, joggen oder winterschwimmen gehen würde. Die körperliche Überwindung härtet nicht nur das Fleisch ab, sondern belebt auch den Geist und bringt frischen Wind in das in dieser Jahreszeit träge werdende Denken. 

Ein kurzer Aufenthalt draussen zeigt, dass nichts so ist, wie es scheint: ein bedeckter Himmel kommt mir nach ein paar Runden auf der Laufbahn nicht mehr so trübe, die Stimmung steigt mit dem Puls und nach einer Weile bin ich froh, dass ich aus dem Haus bin. Der winterliche Wald ist ein besonderes Erlebnis, egal ob zum Spazieren oder beim Joggen: mal neblig, mal von kaltem Sonnenlicht durchflutet, stets bietet er eine lebhafte Kulisse voller Düfte und Geräusche. Sind die Blätter weg, erscheinen die Bäume viel majestätischer und mit ein bisschen Glück kann man dazwischen die im Wald lebenden Tiere erblicken. Die Farben sind nicht ganz verblasst, sie sind da, einfach anders angeordnet und in einem dezenteren Farbspektrum. Nicht selten halte ich am Waldweg an und mache ein paar Yoga Übungen, um von der Schönheit zu profitieren. Das Winterschwimmen hat einen noch stärkeren Effekt auf die Sinne: ob alleine, zu zweit oder in einer Gruppe. Nie steigen wir zwei Mal in denselben Fluss, alles verändert sich und - entgegen der geläufigen Meinung - alles wird besser, zumindest nach dem Winterschwimmen. Das nasse Blaugrün wirkt wie ein Jugendelixier, egal ob das Eintauchen eine Minute oder länger dauert, jedenfalls macht es hinterher heiter und fröhlich. Beim Sport bewegen wir nicht nur den Körper: auch unsere Sinne und Fantasie werden belebt und schöpfen aus dem Reichtum an Eindrücken. 


Seit gut einem Jahr gehört auch tägliche Meditation (morgens oder abends) zu meinem Programm. Diese eher feine Art von innerer Arbeit habe zu Beginn meiner Dissertation wieder aufgenommen, um sie zu dokumentieren und ihre Wirkungen aufzuschreiben. Welche genau sind es, lässt sich nicht so eindeutig sagen, zumal ich es nicht isoliert betrachte. In Kombination mit Yoga und Bewegung ist die Wirkung jedoch nicht zu übersehen. Manchmal sind es subtile Veränderungen, die ich wahrnehme, an einem anderen Tag wieder etwas Körperliches. Was genau ist eine Meditation? Vereinfacht gesagt, es ist die Pause zwischen zwei Gedanken. In der Zen Philosophie sagt man gerne, dass man das Nicht-Denken denkt. 

Das textile Handwerk wird ebenfalls gerne als meditativ bezeichnet, was jedoch nur bedingt zutrifft. Oft wird "meditativ" mit entspannt oder angenehm verwechselt, um der eigenen Arbei einen besonderen Ausdruck zu verleihen. Eine Meditation ist in erster Linie auch innere Arbeit, Übung und Fokus, es ist nicht dasselbe, wie wenn wir uns entspannt treiben lassen und es "Ah so schön" finden. Eigentlich trifft es auch auf Handwerk zu: um etwas geniessen zu können, um sich in einer Fadenarbeit zu verlieren, braucht es nicht selten jahrelange Übung (Augen, Muskeln, Handgriffe und laut neusten Studien gar neuronale Verknüpfungen im Gehirn). Erst wenn ich weiss, wie die Maschen zu stricken sind, wenn das Wissen in die Muskeln übergegangen ist und ich die Bewegungen fast schon beiläufig mache, erst dann kann ich alles "vergessen", mich treiben lassen und einfach so vor sich hin stricken. Dennoch bedarf es auch hier Wachsamkeit und Fokus, damit ich in Gedanken nicht abschweife, sondern bei der Sache und bei mir bleibe. Nichts ist so, wie es scheint, hinter allem, was auf den ersten Blick einfach aussieht, sind tausende Arbeitsstunden und jahrelange Übung. 


Für diesen Winter habe ich mir ein besonderes Projekt vorgenommen: ein grosser Schal im Chevronmuster (Zickzack). Gestrickt im Patent (brioche), als Wolle habe ich pflanzlich gefärbte Bällchen in feister Lace-Qualität zusammen mit flauschigem Mohair kombiniert. Wie sieht nur mein meditatives Stricken konkret aus? Ich stricke möglichst täglich ein paar Minuten (max. 30 min.), langsam mit einem Fokus auf die Arbeit. Es ist vom Vorteil, wenn man das Muster und die Technik kennt, so kann man sich schön in das Stricken vertiefen und den flow geniessen. 

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Das obige Tuch in einer neuen Variatioan, oben von rechts (mit Mohair vorne), unten von links, mit Wollgarn von oben.

Freitag, 17.10.2025


Nach längerem Zögern habe ich das gestrickte Stück geöffnet und neu kombiniert: das Muster und Maschenzahl bleiben, jedoch habe ich die Wolle anders angeordnet. Oben ein flauschiger Mohairfaden, darunter die Wolle von Mehlsen. Das Verstricken beider so feiner Garne war zunächst sehr gewöhnungsbedürftig, habe es so noch nie gemacht. Doch zum Glück klebt die Mohairwolle ein bisschen, so, dass sie beide aneinander gut haften bleiben und es rutscht nicht von den Stricknadeln (übrigens weiterhin Nummer 3 also 3mm).

Das zweifarbige Brioche-Muster erlaubt das Wechseln der Farbe oben oder unten, gleichzeitig ode abgestuft, ich habe mich für die zweite Variante entschieden. Pro Tag stricke ich wenig, allerhöchstens ein paar Zeilen. Auf diese Weise ermüdet die Arbeit nicht so sehr und ich mache auch keine Fehler oder Unregelmässigkeiten im Muster. Die Farbvielfalt kann schnell zu einer Qual werden, vor allem wenn beide Farben (oben und unten) gewechselt werden. Vorerst beschränkte ich mich auf meine Mohair-Vorräte und habe keine neuen Farben nachbestellt. Als nächstes folgt ein goldig-gelber Mohairfaden oben.


Lust auf Brioche? Ein Strickkurs mit technischen Grundlagen (Termine auf Anfrage ab 2 Personen).

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Ein Einstieg in eine Meditation kann sich als schwierig gestalten, in meiner Yoga Klasse am Freitag (8 Uhr) biete ich regelmässig kleine Meditationen an, um die eigene Wahrnehmung zu studieren und verfeinern. 

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Wer sich gerne in die japanische Philosophie vertiefen möchte, hier noch ein Buchtipp:

Nobuo Suzuki: Wabi Sabi. The Wisdom in Imperfection

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