Bald sind es zehn Jahre her, als ich mit dem Winterschwimmen angefangen habe. Da ich in östlichem Europa, wo oft kalter, kontinentaler Wind weht, aufgewachsen bin, war ich mir die Kälte gewohnt. Na ja, nicht ganz, aber irgendwie doch. Dennoch habe ich lange gezögert, einfach so in das kalte Wasser zu steigen. Was anfangs eher aus Neugier geschah und nicht selten von schönem Wetter abhängig war, ist mittlerweile zu einer Routine geworden. Ab September gehe ich vermehrt schwimmen (lustigerweise bin ich im Sommer selten in der Badi), sei es in die Limmat oder in den See. Die beiden Gewässer könnten nicht unterschiedlicher sein. Der See ist offen, oft windig und es hat mehr Sonnenlicht. Das Steigen in die kalten, blauen Wellen hat für mich stets etwas Festliches und das Plantschen lässt jedes Mal ein In-den-Ferien-Sein Gefühl aufkommen, egal wie grau der Himmel ist.
Die Limmat hingegen ist für mich ein sportlicher Ort, hier gehe ich normalerweise joggen oder spazieren und zwar zu jeder Jahreszeit. Dem Ufer entlang bis zur Werdinsel oder gar noch ein Stückchen weiter - was gibt es schöneres? Das Winterschwimmen im Fluss ist für mich folglich auch eine Art Sport. Ich steige hinein und würde ich mich einfach so treiben lassen, käme es nicht gut. Schwimmen ist angesagt, und zwar gegen den Strom! Ich mag diese Art von Bewegung sehr, das kalte Wasser fühlt sich gleich wärmer an (hahaha) und es belebt den Geist stets von Neuem.
Manchmal kommen mir sogar beim Schwimmen die kreativsten Ideen. Es ist ein bisschen als ob sie mir im Wasser auflauerten. Alles ist viel intensiver und die eigene Wahrnehmung der Kälte relativiert vieles, was uns sonst im Alltag beschäftigt. Jedes Mal fühle ich mich nicht nur körperlich erfrischt, sondern auch geistig leichter. Als ob mich das Wasser von Innen gewaschen hätte. Wer also noch zögert ob mit dem Winterschwimmen anfangen oder nicht, kann es sich immer noch überlegen. Die Wassertemperatur fällt mittlerweile auf frische 13 Grad, doch bei sonnigem Wetter ist ein kurzes Eintauchen durchaus machbar. In den letzen beiden Wintern erlebte ich einen regelrechten Boom an Winterschwimmer:innen, insbesondere an der Limmat beim Oberen Letten wurde es bisweilen eng am Holzsteg. Es ist, als ob sich die Menschen in den Pandemie langweilten und etwas Neues ausprobieren wollten. Dieses Jahr waren sogar mehrere Zeitungsartikel diesem Thema gewidmet und auch einige Badis machen (endlich) für die Winterschwimmer:innen auf. Sind es die Folgen der Klimaerwärmung im Zürichsee? Von wegen! Das Wasser ist genauso kalt wie in den Jahren zuvor, lediglich die Menschen haben ihre Hemmungen ein bisschen abgelegt und wagen etwas Neues (oder eher Altneues). Da ich noch die letzen Sonnenstrahlen für einen Schwimm nutzen will, muss ich hier meinen Beitrag beenden. Vielleicht sehen wir uns an der Limmat!
Bild: Winterschwimmen in der Limmat, Decke gestrickt nach Design von S. West (Painting Honeycombsblanket)
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